宣州謝朓樓餞別校書叔雲
Li Bai 李白 (701–762)
棄我去者昨日之日不可留,亂我心者今日之日多煩憂。 長風萬里送秋雁,對此可以酣高樓。 蓬萊文章建安骨,中間小謝又清發。 俱懷逸興壯思飛,欲上青天覽日月。 抽刀斷水水更流,舉杯銷愁愁更愁。 人生在世不稱意,明朝散髮弄扁舟。
Herbstliche Stimmung Hans Bethge (1876–1946)
— in: Bethge, Hans. Pfirsichblüten aus China. Berlin: Ernst Rowohlt Verlag, 1923. p. 34f.
Das Gestern flieht dahin, ich halt es nicht. Dem Heut, das auf meinem Herzen lastet, Entreiß ich nicht die Bitternis des Grams. Die Wandervögel nahen schon in Schwärmen, Der Herbstwind braust, ich steige auf den Söller Mit vollem Glas, und luge weit ins Land. Ich denke an die großen, edlen Dichter Vergangner Zeiten, lese ihre Verse, Die so erfüllt von Kraft und Anmut sind. Auch ich versprür in mir ein brausendes Empfinden, und es drängt mich mit Gewalt, Ausdruck zu geben meinem heiligen Feuer. Doch um den großen Geistern nahzukommen, Müßt ich mich bis zum Firmament erheben Und in dem Reich der Sterne heimisch sein. Läßt sich ein Wasserstrahl mit einem Schwerte In Stücke hauen? Kann man seinen Kummer Ertöten mit dem Becher in der Hand? Ein dunkler Abgrund klafft in diesem Dasein Zwischen der Sehnsucht, die uns süß beseligt, Und der Erfüllung, die Enttäuschung ist. Das Beste ist: man wirft sich in ein Boot Und bietet sich, mit sturmzerwühlten Haaren, Der wilden Macht der Elemente dar!
Leitspruch Max Fleischer (1880–1942)
— in: Fleischer, Max. Der Porzellanpavillon. Nachdichtungen chinesischer Lyrik. Berlin, Wien, Leipzig: Paul Zsolnay Verlag, 1927. p. 45f.
Wer vermag des Gestern Schwinden aufzuhalten, wer dem heute seine kummerschwere Beute, seine Herznot zu entwinden? Wandervögel nahn in Schwärmen, fliegen vor dem Herbstwind, wiegen sich am Himmel, fliegen, fliegen! Soll ich mich drob endlos härmen? In das Hochgebirge steigen will ich und von schroffer Warte becherschwingend die Standarte meines Tags den Tälern zeigen. An die großen Dichter denk ich, die in alten Zeiten schufen, an die großen goldnen Stufen in den Himmel; selig senk ich meine Seele in sie; fühle süße Schauer mich durchgluten; trinke ihrer hochgemuten Sinne Feuerweine. Ziele waren noch für jede rege Dichterschwinge jene fernen Vorzeitgeister, die den Sternen nahe sind. Wer sie erflöge! Kann das Schwert die Silberschleifen eines Wasserfalls zerteilen? Können wir die Schwermut heilen, die wir trunken kaum begreifen? Zwischen Sehnsucht und Erfüllung schweben wir in diesem Leben. Sollen wir uns darum ergeben? Unsrer wilden Wünsche Stillung liegt in jugendstarkem Wagen. Einen Kahn gilt es besteigen und den Mächten, die uns beugen unsern Trotz ins Antlitz schlagen.
An einen Freund, der auf eine lange Reise ging Hans Heilmann (1859–1930)
— in: Heilmann, Hans. Chinesische Lyrik vom 12. Jahrhundert v. Chr. bis zur Gegenwart, Die Fruchtschale. München, Leipzig: R. Piper & Co., 1905. p. 29f.
Das Gestern, das mir entflieht, kann ich nicht halten, Das Heute, das mir das Herz bedrückt, nicht von der Kummerslast befrein; Schon nahen die Wandervögel in zahlreichen Schwärmen, die uns der Herbstwind wiederbringt, Ich will zur Warte steigen, meinen Becher füllen und in die Ferne schauen. Ich denke an die großen Dichter der vergangenen Zeiten Und lese mit Entzücken ihre Verse voll Unmut und Kraft. Auch ich fühle in mir ein heiliges Feuer, die Begeisterung will mächtig ihre Schwingen regen. Doch um jene Erhabenen zu erreichen, müßte man sich bis zum Himmel erheben und den Sternen nahn. Wer kann den Wasserstrahl mit dem Schwert zertrennen; Wer vermöchte im Wein seinen Gram zu ertränken! Der Mensch, der in diesem Leben zwischen Sehnsucht und Erfüllung schwebt, Kann nichts tun als sich in den Nachen werfen und, das Haar im Winde flatternd, der Willkür der Elemente ergeben.
Abschied Klabund (1890–1928)
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II China: Chinesische Lyrik. Wien: Phaidon-Verlag, 1929. p. 65.
— in: Oehlke, Waldemar. Chinesische Lyrik und Sprichwörter. Bremen-Horn: Walter Dorn-Verlag, 1952. p. 58.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II: Chinesische Gedichte. Nachdichtungen. Wien: Phaidon-Verlag, 1954. p. 93.
Das Gestern, das mich flieht, kann ich nicht halten, Das Heute drückt mich wie ein Frauenschuh. Die kleinen Wandervögel schon entfalten Die Flügel herbstlich ihrer Heimat zu. Ich steige auf den Turm, die Arme weit zu dehnen, Und fülle meinen Becher nur mit Tränen. Ob ich, ihr großen Dichter, euer werde? Ich bin gekrönt, wenn mich ein Vers von euch umflicht. Und meine Füße stampfen wohl die Erde, Doch ach zum Himmel tragen sie mich nicht. Wer kann den Springbrunn mit dem Degen spalten? Wie Öl schwimmt oben auf dem Wein die Not. Das Gestern, das mich flieht, kann ich nicht halten. Ich warf mich in ein steuerloses Boot, Das Haar, dem Winde flatternd preisgegeben, Wird mich die Woge auf und nieder heben.