幽居
Wei Yingwu 韋應物 (737–790)
貴賤雖異等,出門皆有營。
獨無外物牽,遂此幽居情。
微雨夜來過,不知春草生。
青山忽已曙,鳥雀繞舍鳴。
時與道人偶,或隨樵者行。
自當安蹇劣,誰謂薄世榮。
Die Einsamkeit Hans Bethge (1876–1946)
— in: Bethge, Hans. Pfirsichblüten aus China. Berlin: Ernst Rowohlt Verlag, 1923. p. 13.
Ob nun die Menschen vornehm sind von Abkunft
Oder gering: sobald sie ihre Wohnung
Verlassen, dringt Verdruß auf sie herein.
Nur wer sein Herz von allen äußern Dingen
Frei zu erhalten weiß, begebe sich
In Einsamkeit, — und bald wird er sie lieben!
Ich liebe sie! Der Regen fängt am Morgen
Zu strömen an, am Abend hört er auf,
Ich werde mir des Wechsels kaum bewußt.
Im Frühling werden Baum und Büsche grün, —
Ich achte kaum darauf. Sobald die Schatten
Der Nacht von dem Gebirg gewichen sind,
Beginnt die Morgenröte an den Gipfeln
Zu strahlen: ich bemerk es nur, wenn mich
Der Vögel Frühlied aus dem Schlaf erweckt.
Zuweilen plaudr ich wohl mit einem Mönche,
Der einsam wohnt. Zuweilen wandr ich wohl
Mit einem armen Holzknecht durch den Wald.
Ein mächtiges Gefühl zieht mich zu jenen,
Die arm und schwach sind. Alles Üppige, Reiche
Veracht ich, — aber wahrlich nicht aus Stolz!
Beschaulichkeit Alfred Forke (1867–1944)
— in: Forke, Alfred. Dichtungen der Tang- und Sung-Zeit, Veröffentlichungen des Seminars für Sprache und Kultur Chinas an der Hamburgischen Universität. Hamburg: Friederichsen, de Gruyter & Co., 1929. p. 80f.
Mögen Vornehm und Gering auch
Sich in manchem unterscheiden,
In dem ruhelosen Hasten
Gleichen dennoch sich die beiden.
Niemals laß ich fort mich reißen
Von der Dinge wildem Drange.
Ich genieße steten Frieden,
Lebe ganz nach meinem Hange.
Wenn des Nachts ein leichter Regen
Auf die Erde niederfließet,
Acht’ ich’s kaum, ob dann am Morgen
Schon das Frühlingsgrün ersprießet.
Plötzlich seh’ den grünen Berg ich
Hell im Sonnenscheine liegen,
Und ich höre Vögel singen,
Die um meine Hütte fliegen.
Häufig trifft man mich zusammen
Mit dem Mann der wahren Lehre,
Doch ich folge auch dem Waldmann
Und mit Holzhauern verkehre.
Und so lebe ich zufrieden,
Meiner Schwächen wohl bewußt mir,
Nicht als ob den Glanz des Lebens
Zu verachten, eine Lust mir.